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do white – miu

Unter dem Titel do white hat der Düsseldorfer Konzeptkünstler miu eine Tanz-Performance für sehendes, anders sehendes und nicht sehendes Publikum entwickelt. Die Szenografie einschließlich des Lichtdesigns dafür haben wir entworfen und umgesezt. Ausgangspunkte der Arbeit sind Fragen des Sehens, des Sichtbaren und Unsichtbaren und damit verbunden auch zwei Kommunikationssysteme, die im städtischen Raum mehr oder weniger sichtbar sind: Telefonzellen und Freifunk. Während die einst zahlreichen und markanten Telefonzellen mehr und mehr aus dem Stadtbild verschwinden – und mit ihnen die kabelgebundene Kommunikation – spannt sich mit Freifunk ein Bürger*innen-Netzwerk unsichtbar über die Stadt und bietet die Möglichkeit kostenlos online zu gehen. do white fragt, welche Körperbilder und Bewegungsroutinen die unterschiedlichen Kommunikationssysteme entstehen lassen und interpretiert dabei städtische Infrastruktur künstlerisch neu.

Auch auf der Ebene des Lichtdesigns und der Szenografie spielen einerseits Fragen des Sehens, des Verschwindens in der Dunkelheit, des geblendet Seins oder der Farbwahrnehmung und andererseits Aspekte der Vernetzung, Reaktionsketten sowie urbane Raumkonstellationen und Lichtquellen eine Rolle: Auf konventionelle Beleuchtung mit Scheinwerfern sowie auf Frontlicht verzichten wir komplett, stattdessen machen Seiten- und Gegenlicht, Beleuchtung von oben und ein Spiel mit Schatten den Vorgang des Sehens bewusst. Zwei unterschiedliche Beleuchtungselemente, weiße LED-Leuchtflächen und Natriumniederdruckdampflampen, sind neben den Musikmaschinen von miu die einzigen Bühnenemente – sein Minimalismus in der Choreografie spiegelt sich auch in der Szenografie wider. Die beiden Lichtarten mit ihren sehr unterschiedlichen Qualitäten lassen städtische Infrastruktur auf der Bühne erscheinen, öffnen und schließen konkrete wie assoziative Räume, verändern Seheindrücke und reagieren auf die Tänzer. Dabei sind die rechteckigen und runden LED-Leuchtflächen mobile Raumelemente, werden von den Tänzern selbst über die Bühne bewegt und verwandeln sich von rein funktionaler Beleuchtung der Szenerie in Ampeln, Leuchtreklame, Straßenlaternen, Schaufenster, U-Bahnen, Telefonzellen oder Signalleuchten. Mit je einem eigenen langen, weißen Kabel versehen, hinterlässt die Bewegung einer jeden Leuchtfläche Spuren im Bühnenraum. Die Natriumniederdruckdampflampen hingegen, über der Bühne hängend, spielen in ihrer Funktionsweise auf die kabellose Kommunikationsform des Funkens an und tauchen, einmal vom Funke gezündet, nach und nach den gesamten Raum in ein gelbliches Licht. Dieses erinnert nicht nur an das Licht alter Straßenlaternen, es verschluckt – nach einem Farbspiel während der beginnenden Gasentladung – auch Farben, sodass alles in ein monochromes Licht getaucht wird und Sehen nur noch in Graustufen möglich ist.

Die Performance lädt sehendes, anders sehendes und nicht sehendes Publikum zu einem Kunsterlebnis ein, bei dem eine offene Audiodeskription in deutscher und japanischer Sprache als eigenständiges künstlerisches Mittel Teil des Stücks ist. Was wird beschrieben, was nicht? Bis wohin geht Beschreibung, ab wann ist sie Kommentar, Interpretation, erzählt eine eigene Geschichte und ergänzt das, was sich auf der Bühne abspielt, um eine weitere, für alle nicht sichtbare Ebene? Wohin lenkt die Sprache den Blick der Sehenden, wo ergänzt sie ihn, wo widerspricht sie ihm vielleicht? Zusätzlich zum Zugang durch die Audiodeskription wird vor den Vorstellungen eine Tastführung angeboten, bei der die Performer, Soya Arakawa, Baptiste Bersoux und Niels Bovri sich, das Stück und den Bühnenraum vorstellen.

Hier geht es zum Audioflyer zur Performance.

Premiere am 19. Oktober 2022 am FFT Düsseldorf, weitere Vorstellungen am 21. und 22.10., jeweils um 20 Uhr.


Mit: Soya Arakawa, Baptiste Bersoux, Niels Bovri, Kristin Schuster und Pia-Tomoko Meid 

Konzept, System-Komposition und Regie: miu
Dramaturgie: Judith Ayuso Pereira, Jana Griess
Künstlerische Mitarbeit: Subaru Moriwaki
Szenografie und Lichtdesign: scheinzeitmenschen
Dramaturgische Beratung: Alice Ferl, Chikako Kaido
Beratung sehbeeinträchtigtes Publikum und Audiodeskription: Sylvie Ebelt, Claudia Hemmis, Marie Lampe (Sozialhelden), Linda Wolf
Recherche: Miriam Althammer
Technische Leitung: Moritz Bütow
Produktionsleitung: Jacqueline Friedrich
Produktionsassistenz: Akiko Okamoto

Koproduktion mit dem FFT Düsseldorf 
Gefördert durch das Kulturamt Stadt Düsseldorf, das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, NRW Landesbüro Freie Darstellende Künste, Kunststiftung NRW und Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.